Mitgliederbefragung zum Bereitschaftsdienst

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der richterliche Eildienst nimmt zunehmend Dimensionen an, welche für Gesprächsstoff in so mancher Kaffeerunde sorgen. Dabei sind es nicht nur die eigenen Erfahrungen mit dem selbst "erlebten" Eildienst, die Anlass zum Nachdenken geben, sondern auch vermehrt aktuelle Entscheidungen einiger Obergerichte.

Zum einen erleben Kollegen, dass sie während des Eildienstes bis zu 40 Anrufe bekommen, darunter sind mitunter so heikle Probleme wie ein angekündigter Amoklauf usw. Zum anderen scheint es allenfalls noch eine Frage weniger Jahre, bis die höchstrichterliche Rechtsprechung die Justizverwaltung veranlassen wird, den richterlichen Eildienst auch auf die Nachtzeit auszudehnen. Flankiert wird diese Rechtsprechung von Urteilen, welche haftungsrechtlich vollkommen neue Dimensionen eröffnen.

Als Vertretung der Richterinnen und Richter sieht der Landesverband Rheinland-Pfalz des Deutschen Richterbundes sich angesprochen und in die Pflicht genommen, die Interessen seiner Mitglieder – aber auch der Richterschaft allgemein – wahrzunehmen. Es soll auf der am 10. März 2010 im Mainz stattfindenden Landesvertreterversammlung und gegebenenfalls auch in der Folge eine Diskussion stattfinden, wie der richterliche Eildienst zukünftig unter Berücksichtigung der zu erwartenden Entwicklung weiterhin durchgeführt und gewährleistet werden kann.

Es dürfte keine Schwarzmalerei, sondern eine reale Einschätzung der Lage sein, wenn man davon ausgeht, dass der richterliche Eildienst spätestens ab dem Jahr 2012 rund um die Uhr stattfindet. Sofern der Gesetzgeber sich nicht zu gravierenden Änderungen der Rechtslage entschließt, dürfte es auch der Realität entsprechen, dass nicht nur grundrechtsrelevante Eingriffe wie Wohnungsdurchsuchungen zu einer Inanspruchnahme des richterlichen Eildienstes führen, sondern schon Maßnahmen wie die Anordnung einer Blutentnahme. Welche Konsequenzen dies für die Nachtruhe hat, mag jeder sich selbst ausmalen, wer nicht genug Vorstellungskraft hat, der frage bei einem Kollegen der Staatsanwaltschaft in einer Großstadt nach. 40 Anrufe pro Woche dürften da schnell als eine Erinnerung an die "gute, alte Zeit" einzustufen sein.

Welche Auswirkungen diese Entwicklung des richterlichen Eildienstes auf die Ausübung des Richteramtes, insbesondere die Bearbeitung des eigenen Dezernates haben werden, sind nicht genau vorhersehbar. Es bedarf jedoch wenig Phantasie, um sich vorzustellen, wie man nach zwei bis drei Tagen – besser: Nächten – ohne ausreichenden Schlaf wohl sein Dezernat in qualifizierter Weise bearbeitet oder gar eine anspruchsvolle Sitzung leitet.

Es bedarf daher der Überlegung und Diskussion, ob der richterliche Eildienst in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung weiter durchgeführt werden kann bzw. soll. Es gibt – auch im Landesverband des Richterbundes – Überlegungen, zukünftig den richterlichen Eildienst nicht mehr im wöchentlichen Turnus aller in Betracht kommenden Kolleginnen und Kollegen durchzuführen, sondern auf "professionelle" Eildienstrichter, also solche, die keine anderen Dezernate mehr bearbeiten, zu übertragen. Entsprechende Modelle gibt es wohl bereits in anderen Bundesländern, so etwa in Berlin.

Bevor der Landesverband des Richterbundes ein solches Modell jedoch vorschlägt und gegebenenfalls auch die Umsetzung gegenüber der Justizverwaltung betreibt, ist es dem Landesverband des Richterbundes ein Ansinnen, die Meinung seiner Mitglieder zu diesem Thema zu erfahren.

Wir haben daher in der Anlage zu diesem Schreiben ein Formular beigefügt, in welchem Sie – die Kolleginnen und Kollegen – gebeten werden, uns Ihre Meinung mitzuteilen.

Sind Sie – auch unter Berücksichtigung der oben skizzierten voraussichtlichen Entwicklung – für die Beibehaltung des richterlichen Eildienstes in der bisherigen Turnusform (ohne nennenswerte Entlastung im Dezernat oder gar Freizeitausgleich) oder favorisieren Sie den hauptamtlichen Eildienstrichter?

Bitte bedenken Sie dabei auch, dass lange nicht alle Fragen eines hauptamtlichen Eildienstrichters geklärt sind und dass es völlig offen ist, ob sich genug Kolleginnen und Kollegen finden werden, die diese Aufgabe freiwillig – auf Zeit – übernehmen. Sie können nicht unterstellen, dass – sofern sich nicht genug Freiwillige finden – automatisch die Dienstjüngsten in den sauren Apfel beißen müssen , rechnen Sie vorsichtshalber damit, dass auch Sie – auch mit dreißig Jahren Berufserfahrung und als langjähriger Vorsitzender einer Zivilkammer – unter Umständen gefordert sein werden.

Wir danken allen Mitgliedern für die Mühe und den Aufwand, sich mit dem Thema zu befassen und uns geantwortet zu haben. Bitte bedenken Sie, dass wir nur dann ihre Interessen vertreten können, wenn wir Ihre Meinung kennen!

Wir bitten darum, uns den anliegenden Fragebogen alsbald – schriftlich oder per E-Mail – zurückzusenden.


Mit kollegialen Grüßen


gez. Oliver Emmer

Mitglied des Präsidiums



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