Justiz 2016 bis 2021 - Herausforderungen und Erwartungen

Rede des Vorsitzenden des Landesverbandes anlässlich der Landesvertreterversammlung am 24. Mai 2016 in Trier


Sehr geehrte Frau Abgeordnete Schmitt,
sehr geehrte Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler,
sehr geehrter Herr Staatssekretär,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich begrüße Sie im Namen des Landesverbandes Rheinland-Pfalz des deutschen Richterbundes zum öffentlichen Teil unserer heutigen Landesvertreterversammlung im kurfürstlichen Palais in Trier.

Über den Termin dieser Veranstaltung haben wir uns im Präsidium und im Vorstand viele Gedanken gemacht. Eigentlich sollte die Landesvertreterversammlung bereits im April stattfinden. Allerdings hielten wir einen Zeitpunkt zwischen Landtagswahlen und konstituierender Sitzung des Landtages und Bildung einer neuen Landesregierung für denkbar ungeeignet. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, die Veranstaltung nach dem 18. Mai, also nach dem Verfassungstag, anzusetzen. Dies vor allem auch, weil wir mit den politisch Verantwortlichen ins Gespräch kommen wollen, die die Geschicke des Landes und damit auch der Justiz in den kommenden Jahren mitbestimmen.

Wir freuen uns deshalb besonders über die Anwesenheit von Frau Landtagsabgeordneten Astrid Schmitt aus der SPD-Fraktion und Frau Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Jutta Blatzheim-Roegler aus der Fraktion Bündnis90/DIE GRÜNEN. Beide Vertreterinnen des Landtages begrüße ich besonders herzlich.

Wir hätten uns natürlich über eine größere Resonanz von Vertreterinnen und Vertretern des Landtages gefreut. Leider zeigt sich insoweit schon eine größere Schwäche des gewählten Termins. Offenbar sind die übrigen Abgeordneten noch zu sehr mit der Vorbereitung auf die neue Legislaturperiode beschäftigt. So tagt heute die CDU-Landtagsfraktion, weshalb Herr Abgeordneter Bernhard Henter von der CDU-Fraktion kurzfristig abgesagt hat. Der rheinland-pfälzische Richterbund hofft dennoch, möglichst zeitnah mit allen im Landtag vertretenen Fraktionen ins Gespräch zu kommen. Wir würden gerne den Meinungsaustausch so fortsetzen, wie er sich in der vergangenen Legislaturperiode bewährt hat.

Ein Manko dieses Termins ist auch, dass heute eine Sitzung des neuen Landeskabinetts in Mainz stattfindet. Das ist der Grund, warum der alte und neue Minister der Justiz Herbert Mertin nicht bei uns sein kann.
Umso mehr freuen wir uns aber über die Anwesenheit des brandneuen Staatssekretärs im Ministerium der Justiz, Philipp Fernis. Herr Fernis, wir sind sehr froh, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind und wir Sie und Sie uns schon kurz nach Ihrem Amtsantritt kennenlernen können. Wir freuen uns auch, dass Sie später ein paar Worte zu uns sprechen werden. Ich begrüße Sie sehr herzlich zu unserer Veranstaltung. Mit Ihnen zu uns gekommen ist der Leiter der Abteilung 1 im Ministerium der Justiz, Herr Ministerialdirigent Bernhard Thurn. Herr Thurn, wir kennen uns ja schon länger. Seien auch Sie herzlich willkommen.

Begrüßen darf ich auch den Hausherren der heutigen Veranstaltung, Herrn Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Thomas Linnertz. Herr Linnertz, vielen Dank, dass wir heute in diesen wunderschönen Räumen tagen dürfen und Sie gleich im Anschluss ein Grußwort zu uns sprechen werden.

Ganz besonders freuen wir uns über die Anwesenheit des neuen Bundesvorsitzenden des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa.
Herr Gnisa, an dieser Stelle darf ich Ihnen nochmals im Namen unseres Landesverbandes zur Wahl zum neuen Bundesvorsitzenden gratulieren. Wir sind alle schon sehr gespannt auf Ihre Ausführungen zur Lage der Justiz und des Deutschen Richterbundes.

Ebenso willkommen heiße ich den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, Herrn Dr. Lars Brocker. Sehr geehrter Herr Dr. Brocker, es ehrt uns, dass der höchste Richter des Landes Rheinland-Pfalz heute anwesend ist. Aus unserer Sicht ist auch das ein Beleg für die Bedeutung unseres Verbandes. Seien Sie herzlich willkommen.

Leider hat die Wahl des heutigen Termins dazu geführt, dass die beiden Oberlandesgerichtspräsidenten aus Koblenz und Zweibrücken, Herr Graefen und Herr Kestel, nicht bei uns sein können. Beide sind gebunden durch die jährliche bundesweite Tagung der OLG-Präsidenten. Wir freuen uns aber, dass das OLG Koblenz durch den Vizepräsidenten Stephan Rüll vertreten ist. Herr Rüll, auch Ihnen gilt unser herzliches Willkommen.

Im deutschen Richterbund sind aber bekanntlich nicht nur die Richterinnen und Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit vertreten, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen aus der Sozialgerichtsbarkeit, der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit. Wir freuen uns deshalb über die Anwesenheit des Präsidenten des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz Ernst Merz und des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz, Klaus Burkhard.
Herr Merz, Herr Burkhard, herzlichen Dank, dass Sie heute zu uns gekommen sind.

Ich darf sagen, traditionell beehren uns die Präsidentinnen und Präsidenten der Landgerichte zahlreich mit ihrer Anwesenheit. Es freut mich ganz besonders heute die Leiterinnen und Leiter aller Landgerichte in Rheinland-Pfalz begrüßen zu dürfen.
Sehr geehrte Damen und Herren Präsidenten, Sie verzeihen mir sicher, wenn ich Sie nicht einzeln namentlich nenne. Sie wissen, wie hocherfreut wir über Ihr Kommen sind und wie herzlich ich Sie alle deshalb begrüße.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

man kann es nicht oft genug betonen, dass unser Verband auch der Berufsverband der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist. Bis vor wenigen Tagen stand mit Christoph Frank als Bundesvorsitzender ein Oberstaatsanwalt über viele Jahre an der Spitze unseres Verbandes. Wir freuen uns deshalb auch sehr über die Anwesenheit des Ltd. Oberstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft Trier Peter Fritzen und des Leiters der Staatsanwaltschaft Zweibrücken Martin Graßhoff. Meine Herren, seien Sie herzlich willkommen.

Der rheinland-pfälzische Richterbund setzt sich auch nicht nur ein für die Interessen der Richterinnen und Richter, sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Landes. Unser Verbandszweck ist daneben der Einsatz für die Interessen der Justiz insgesamt. Dabei stehen wir nicht allein.

Auch andere Berufsverbände verfolgen dasselbe Ziel. Es ist schön, dass auch Vertreter befreundeter Verbände - wie auch der Konkurrenz - unserer Einladung gefolgt sind. Ich begrüße den Vorsitzenden der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter Rheinland-Pfalz, Hartmut Müller-Rentschler. Für die Neue Richtervereinigung Rheinland-Pfalz/Saarland begrüße ich Frau Marie Theres Bauer und Herrn Eucharius Wingenfeld, sowie für den Landesverband Rheinland-Pfalz des Bundes Deutscher Rechtspfleger Frau Andrea Meyer.

An dieser Stelle möchte ich dem BDR noch einmal zu dem erstaunlichen Rechtspflegertag im November in Mainz gratulieren. Das war eine hochmoderne und hochprofessionelle Veranstaltung. Wir haben gar nicht erst versucht, da mitzuhalten, sondern eine eher traditionelle Veranstaltungsart gewählt. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.

An dieser Stelle möchte ich auch betonen, dass der rheinland-pfälzische Richterbund es ausdrücklich begrüßt, wenn Landesregierung und Parlament die prekäre Personalsituation bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern erkannt und - zumindest in einem ersten Schritt - eine Verbesserung durch Stellenmehrung eingeleitet haben. Was uns daran aber nicht gefallen hat - und diese Kritik richtet sich ausdrücklich nicht gegen Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger - war der Umstand, dass die Stellenmehrung unmittelbar mit Stellenkürzungen bei Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten verknüpft wurde.
Dieses Prinzip, Löcher an einer Stelle dadurch zu stopfen, dass an anderer Stelle Löcher vertieft werden, können wir nicht gut heißen. Und schon gar nicht dürfen wir dadurch das gemeinsame Ziel einer personell ausreichend ausgestatteten Justiz aus den Augen verlieren. Liebe Andrea, ich bin sicher, dass wir auch weiterhin Seite an Seite an diesem gemeinsamen Ziel arbeiten.

Für die Erhaltung und Stärkung einer durchsetzungsfähigen Justiz treten auch die Rechtsanwaltskammern und Anwaltsvereine ein. Ich freue mich, den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Koblenz, Justizrat Gerhard Leverkinck sowie den Vorsitzenden des Trierer Anwaltsvereins Dr. Wilhelm Denzer begrüßen zu dürfen. Ebenso herzlich begrüße ich den Vorsitzenden des Vereins der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg, Matthias Grewe. Lieber Matthias, Du weißt, dass die Treffen der Landesvorsitzenden des Richterbundes gerne auch scherzhaft Kurfürstenrunde genannt werden. Damit ist auch klar, warum wir uns heute im kurfürstlichen Palais befinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Ãœberschrift der heutigen Veranstaltung lautet:
"Justiz 2016 bis 2021 - Herausforderungen und Erwartungen". Der Beginn einer neuen Legislaturperiode und die Bildung einer neuen Landesregierung geben Anlass, sich über die Herausforderungen der kommenden Jahre für die Justiz ebenso Gedanken zu machen wie über die Erwartungen der Justiz an die Landespolitik.

Eine der größten Herausforderungen ergibt sich aus dem Umstand, dass Ende des vergangenen Jahres und zu Beginn des neuen Jahres eine große Zahl von Menschen als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Die meisten von ihnen werden auch für längere Zeit, wenn nicht auf Dauer, in Deutschland bleiben. Allein in Rheinland-Pfalz hat damit die Bevölkerungszahl erheblich (man spricht von zwischen 30 und 40 000 Menschen) zugenommen. Das entspricht etwa einem Anstieg der Bevölkerungszahl um die Größenordnung einer Stadt wie Zweibrücken.

Und nicht nur die bloße Zahl der neu hinzugekommenen Menschen, sondern auch die mit der besonderen Situation verbundenen Probleme stellen besondere Anforderungen an die Justiz.
Neben der sprunghaft ansteigenden Zahl von Asylverfahren steigen auch die Zahlen der Verfahren vor den Familiengerichten, den Betreuungsgerichten und nicht zuletzt den Sozialgerichten erheblich. Hinzu kommen die Verfahren bei den Staatsanwaltschaften, nicht nur wegen illegaler Einreisen. Vielmehr hat die große Zahl von Flüchtlingen - wie wir alle wissen - schon in den vergangen Monaten zu einem erheblichen Anstieg von Straftaten gegen diese Menschen, gegen Flüchtlingseinrichtungen und -helfer geführt. Volksverhetzende Aussagen im Internet müssen konsequent aufgedeckt und verfolgt werden. Auch die schwierige und mitunter konfliktträchtige Lage der Flüchtlinge selbst führt vermehrt zur Begehung von Straftaten. All dies wird die Staatsanwaltschaften ebenso wie die Strafgerichte des Landes auch zukünftig weiter belasten. Dabei sind gerade Staatsanwaltschaften und Strafgerichte längst an der Belastungsgrenze angekommen. Ja man kann durchaus sagen, dass diese Grenze vielerorts schon überschritten ist. Dies gilt im Übrigen auch für alle übrigen Bereiche staatsanwaltschaftlicher und richterlicher Tätigkeit.

Mit dem kontinuierlichen Stellenabbau in den letzten Jahren hat sich die Belastungssituation der Richter und Staatsanwälte in Rheinland-Pfalz deutlich verschärft.
Viele Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte arbeiten schon heute deutlich über der Belastungsgrenze. Das geht auch für eine gewisse Zeit, aber nicht auf Dauer.

Der reinland-pfälzische Richterbund fordert deshalb die neue Landesregierung und das neu gewählte Parlament auf, die Stellen für Richter und Staatsanwälte in Rheinland-Pfalz so zu vermehren, dass der durch die bundesweite Neuerhebung ermittelte Personalbedarf vollständig gedeckt wird. Nur so kann die Qualität der Justiz als dritte Gewalt und als Säule des Rechtsstaats erhalten werden. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes Rheinland-Pfalz erwarten zu Recht eine effektive Verfolgung von Straftätern genauso wie zügige und qualitativ hochwertige Gerichtsentscheidungen. Das geht aber nur mit der erforderlichen Zahl von Staatsanwältinnen, Staatsanwälten, Richterinnen und Richtern.

Eine weitere, enorme Herausforderung wird die Justiz wahrscheinlich gegen Ende der Legislaturperiode zu bewältigen haben. Ich meine damit die Umstellung auf den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte. Damit wird sich die Arbeitswelt in der Justiz in bisher nicht gekanntem Maß verändern.
Alle bisher bekannten Arbeitsstrukturen werden aufgelöst und durch neue ersetzt.
Die Veränderungen durch die elektronische Akte sind gewaltig. Das macht es unseres Erachtens zwingend erforderlich, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz so früh wie möglich und so intensiv wie möglich in die Entwicklung der neuen Systeme einzubeziehen. Es ist daher richtig und wichtig, ein Gremium einzurichten, das alle Reformschritte von Anfang an begleitet. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die durch das Ministerium vorgeschlagene Gründung eines E-Justice-Fachbeirats.

Allerdings sollen nach dem bisherigen Vorschlag die Mitbestimmungsgremien, also Richterräte, Staatsanwaltsräte und Personalräte, explizit nicht als solche an dem Gremium beteiligt sein. Vielmehr sollen die Mitglieder durch die Oberlandesgerichtspräsidenten und die Generalstaatsanwälte benannt werden. Zwar können auch gewählte Personalvertreter benannt werden, aber eben nicht in dieser Eigenschaft. Damit soll ein weiteres Gremium neben den gewählten Personalvertretungen geschaffen werden. Das halten wir nicht für sinnvoll.

Aufgabe der gewählten Personalvertreter ist nicht, abgeschlossene Planungen erheblicher organisatorischer Veränderungen im Nachhinein mit ihrer Zustimmung abzusegnen. Vielmehr müssen die gewählten Personalvertreter in diese Planungen frühzeitig eingebunden werden. Unsere Bitte daher an den neuen Justizminister ebenso wie an Sie, Herr Staatssekretär Fernis, diesen Vorschlag noch einmal zu überdenken und zu überarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wenn von den Erwartungen der Justiz für die begonnene Legislaturperiode gesprochen wird, muss natürlich auch das Thema Besoldung auftauchen. Wir erwarten von Regierung und Parlament nicht mehr und nicht weniger als eine angemessene Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung. Dazu gehört zumindest, die Tarifabschlüsse für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf Beamte und Richter zeitnah und eins zu eins zu übertragen. Ein Sonderopfer wie durch die 1%-Regelung der vergangenen Legislaturperiode darf es nicht mehr geben.

Und in diesem Zusammenhang: Mit seiner Entscheidung aus dem vergangenen Jahr zum Thema Besoldung hat das Bundesverfassungsgericht lediglich die absoluten Grenzen der Besoldung nach unten festgelegt. Man muss sich dabei immer vor Augen führen, dass sich das höchste deutsche Gericht nur damit beschäftigt hat, ab wann die Besoldung verfassungswidrig ist. Das bedeutet umgekehrt nicht, dass eine Besoldung an der Grenze der Verfassungswidrigkeit angemessen ist. Die Grenze der Angemessenheit liegt weit darüber. Die Finanzpolitik sollte sich also davor hüten, die Besoldung von Richtern und Beamten an der Grenze zum Verfassungsverstoß zu orientieren.

Aber noch stehen wir ganz am Anfang der Arbeit einer neuen Landesregierung und eines neuen Parlaments. Wir sind hoffnungsfroh und zuversichtlich, dass auf die Justiz unseres Landes bessere Zeiten zukommen. Wie wichtig die Justiz als dritte Gewalt für unsere Rechtsordnung und damit für unsere Gesellschaft ist, dazu wird der Bundesvorsitzende sicher im Anschluss auch die richtigen Worte finden.

Zunächst aber darf ich das Wort dem Hausherrn, Herrn Präsidenten der ADD Linnertz zu einem Grußwort übergeben.

Vielen Dank.

 
- Sperrfrist: 24.05.2016
Es gilt das gesprochene Wort -







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