Ein halbes Jahrhundert Richterbund in Rheinland-Pfalz

Festveranstaltung des Landesverbandes Rheinland-Pfalz des Deutschen Richterbundes am Dienstag, 23.11.2004 in Mainz

I.

Nach der Begrüßung durch die neue Landesvorsitzende, Ulrike Müller-Rospert nahm der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin die unmittelbar anstehende Konferenz der Justizminister und deren Beschlussfassung zu einer" großen Justizreform" zum Anlass, grundsätzliche Überlegungen zu einem Justiz-Reformbedarf auszusprechen. Die Richterschaft in Rheinland-Pfalz arbeite effektiv; dies gelte insbesondere für die Amtsgerichte und Landgerichte. Die Justiz in Deutschland habe zunächst die Auswirkungen der Justizreform 2000 / 2001 zu analysieren und auszuwerten. Das letzte, was die Justiz zur Zeit gebrauchen könne, sei wiederum eine Justiz-Strukturreform. Der Minister wandte sich ausdrücklich gegen die Idee, Amtsgerichte und Landgerichte zu einem "Eingangsgericht" zusammenzulegen. Eine solche Umorganisation würde zu einem Rückzug aus der Fläche, also zu weniger Bürgernähe führen, ohne dass irgendeine Qualitätsverbesserung durch eine solche Maßnahme belegt sei. Der erhebliche Verlust an Bürgernähe und immense Umstellungskosten seien zunächst das einzige, was von einer solchen Umstrukturierung unmittelbar zu erwarten sei.


II.

Auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Richterbundes, Wolfgang Arenhövel, setzte sich mit dem Thema Justizreform kritisch auseinander. Der Sinn einer Justizreform liege nicht darin, zu sparen sondern allein darin, Qualitätsstandards der Rechtsprechung zu halten oder zu verbessern; Einbußen im Hinblick auf Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit werde der Richterbund keinesfalls hinnehmen. Arenhövel sagte, dass die derzeitige Reformdiskussion zur falschen Zeit käme, es sei verfrüht über eine "große" Reform zu reden. Denn die bei der Justizreform 2000 propagierte Stärkung der ersten Instanz sei eine vollständige Phrase geblieben und neuen Überlegungen, welche die erste Instanz schwächen könnten, müsse kritisch begegnet werden.


Arenhövel erklärte, dass das oberste Gebot für den Richterbund sei, die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richter zu wahren und zu verteidigen. Die Unabhängigkeit der Richter sei kein Privileg sondern vielmehr Grundlage einer von politischen und gesellschaftlichen Einflüssen freien Rechtsprechung und fundamentaler Bestandteil der Rechtskultur in Deutschland. Überlegungen aus der Politik, die Versetzbarkeit von Richtern unter dem dies verschleiernden Oberbegriff "Flexibilität" leichter zu machen kritisierte er mit aller Deutlichkeit.


III.

Anschließend folgte die Ansprache des Ehrenvorsitzenden des Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Dieter Lang, an. Lang würdigte die Tätigkeit des von 1998 bis 2004 amtierenden Landesvorsitzenden Udo Werner.


Er befasste sich daraufhin mit dem Ziel des parteipolitisch neutralen Verbandes. So habe stets die Forderung nach der Abschaffung des Status des politischen Beamten der Generalstaatsanwälte auf dem Forderungskatalog des Landesverbandes gestanden. Der Landesverband habe in den letzten Jahrzehnten in dem politischen Geschehen stets darüber gewacht, dass das Legalitätsprinzip für die Staatsanwaltschaft beachtet werde und habe wiederholt die Forderung formuliert, dass keine Landesregierung befugt sei, sich in Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft einzumischen. Stets habe der Richterbund sich gegen Interventionsversuche der Politik gegenüber der Staatsanwaltschaft zur Wehr gesetzt.

Auch auf die Notwendigkeit, die Richterschaft vor in Einzelfällen maßloser Kritik durch die Medien in Schutz zu nehmen wies Lang hin.

Schließlich äußerte Lang seine Sorge um die Abwehr parteipolitischer Einflussnahme auf die Justiz. Der Richterwahlausschuss enthalte die Gefahr der Politisierung der Richter, wenn er einen nur geringen Richteranteil habe und wenn die Forderung des Richterbundes nach einer paritätischen und daher ausgewogenen Zusammensetzung des Ausschusses von Parlamentariern und Richtern nicht erfüllt sei, wie es bei der gegenwärtigen Gesetzeslage leider festzustellen ist.


IV.

Hieran schloss sich das Referat von Christoph Frank, stellvertretender Bundesvorsitzende des Richterbundes, zu dem Gesetzesentwurf des Deutschen Richterbundes zum Standesrecht der Staatsanwälte an. Frank stellte den Gesetzesentwurf vor:

- Abschaffung des Status der Generalstaatsanwälte als politische Beamte.

- Abschaffung des externen Weisungsrechts im konkreten Einzelfall. Allein der Verdacht, die Staatsanwaltschaft könne von der Politik gesteuert werden, schade dem Ansehen der Staatsanwaltschaft und der Justiz und letztlich auch dem Ansehen der Politik.

-Beteiligung eines beratenden, aus gewählten Staatsanwälten bestehenden Gremiums (Geschäftsverteilungsausschuss) an der Geschäftsverteilung.

- Abschaffung der örtlichen Sitzungsvertreter bei Beibehaltung und Erweiterung der Zuständigkeit der Amtsanwälte

Diesem informativen Abriss schloss sich eine von Oberstaatsanwalt Ingo Hromada schwungvoll moderierte Diskussion an, bei der u. a. der Generalstaatsanwalt von Koblenz, Norbert Weise und die Generalstaatsanwälten von Zweibrücken, Ursula Reichling, das Wort ergriffen. Hierbei wurde der einstimmige Beschluss der deutschen Generalstaatsanwälte erwähnt, wonach

- die Generalstaatsanwälte keine politischen Beamten sein dürften,

- das externe Weisungsrecht in der gegenwärtigen Handhabung nicht geändert werden solle. Nur außerordentlich selten werde von dem externen Weisungsrecht im Einzelfall überhaupt Gebrauch gemacht.

Reinhard Endell

Vorsitzender Richter am Landgericht, Mainz


Müller-Rospert, Vorsitzende des Landesverbandes


v.l.n.r.: Frank, Mertin, Arenhövel,
            Lambert-Lang, Lang


Ehrenvorsitzender Lang,
Werner (fr. Vorsitzender des Landesverbandes)
 


Arbeitsgerichtsband


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