1. Beabsichtigte Schwerpunkte der Justizpolitik Eine funktionsfähige Justiz sichert den Rechtsfrieden, gewährleistet den Rechtsschutz des einzelnen Bürgers und Rechtssicherheit für Alle, regelt in einem geordneten Verfahren die Vielzahl streitiger Fälle und setzt so letztlich die rechtsstaatliche Ordnung durch. Sie hat gerade und jetzt in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs, der sich aktuell durch vielfache Zuwanderung von Migranten in unsere rheinland-pfälzische Gesellschaft vollzieht, eine unverzichtbare Stabilisierungs- und Ordnungsfunktion. Dies betrifft nicht nur die notwendige Kontrolle verwaltungsrechtlicher Maßnahmen. Bei unbegleiteten jugendlichen Migranten ist die Justiz im Rahmen des Vormundschaftsrechts gefordert. Hinzu kommen Betreuungsverfahren für hochtraumatisierte Flüchtlinge und die von der Politik zu Recht eingeforderte schnelle Reaktion auf fremdenfeindliche strafrechtlich relevante Handlungen. Eine funktionsfähige Justiz hat darüber hinaus eine wichtige Bedeutung für den Erhalt und Ausbau des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz. Kleine und mittlere Betriebe ebenso wie die Großindustrie erwarten nicht nur materielle Rechtssicherheit, sondern auch eine zügige und kalkulierbare zivilrechtliche gerichtliche Verfahrensumsetzung. Welche Konzepte haben Sie bezüglich der angesprochenen Herausforderungen der Justiz für die nächsten vier Jahre zur Bewahrung und Stärkung des Justizstandorts Rheinland Pfalz? Was sind die beabsichtigten Schwerpunkte der Justizpolitik Ihrer Partei für die kommende Legislaturperiode? Wie stehen Sie im Flächenland Rheinland-Pfalz zur Erhaltung auch kleinerer Amtsgerichte? 2. Ausstattung Die Justiz in Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen Jahren trotz gewachsener gesetzlicher Aufgaben ihren Beitrag im Rahmen der Personaleinsparquoten in der öffentlichen Verwaltung erbringen müssen. Viele Mitarbeiter in der Justiz halten die Arbeitsbelastung mittlerweile nicht mehr für zumutbar. Die Erkrankungen und vorzeitigen Pensionierungen aufgrund stetig ansteigender Belastungen und hierdurch bedingter Beeinträchtigungen nehmen zu. Das Missverhältnis zwischen Aufgabensteigerung und Personalabbau auf allen Ebenen der Justiz hat auch für die Bürgerinnen und Bürger gravierende Konsequenzen. So sind in vielen Bereichen trotz überobligatorischen Einsatzes der Justizmitarbeiter die Bestände zum Teil erheblich angewachsen. Hieraus folgen unweigerlich längere Verfahrenslaufzeiten. Die dadurch bedingten Sachstandsanfragen und Dienstaufsichtsbeschwerden führen zu einer weiteren Mehrbelastung und potenzieren im Ergebnis die Verzögerungen. Dies führt gerade bei den Amtsgerichten zu unmittelbar nachteiligen Auswirkungen für die Rechtsuchenden. Die Möglichkeit des Teilzeitarbeitsplatzes wird zunehmend über alle Laufbahngruppen hinweg zur Kinderbetreuung und aus sonstigen familiären Gründen in Anspruch genommen, was unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Beruf und Familie als sehr positiv zu begrüßen ist. Dies erfordert aber neue innovative Personalorganisationsstrukturen. Eine flexible und vor allem vorausschauende Personalplanung ist zur Vermeidung monatelanger Vakanzen notwendig. Die Zunahme von Teilzeitarbeitsplätzen führt zu Problemen, da ausreichende räumliche Kapazitäten oftmals nur unzureichend vorhanden sind. Auch führt die Organisation der Teilzeitarbeit nicht selten dazu, dass aufgrund der bestehenden Personalknappheit die Justiz nachmittags nicht mehr in ausreichendem Umfang für die Bürgerinnen und Bürger erreichbar ist. In diesem Zusammenhang wird zukünftig auch der Bedarf an Heimarbeitsplätzen wachsen. Der rheinland-pfälzische Richterbund fordert daher zur Gewährleistung einer funktionsfähigen Justiz im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes eine an den gesellschaftlichen Gegebenheiten und Aufgaben angepasste realistische Personalausstattung und Arbeitsplatzgestaltung. Die Justiz steht in den nächsten Jahren bis spätestens 2022 vor der enormen Aufgabe der Umstellung auf den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte. Hierfür sind nicht nur eine ausreichende technische Ausstattung, sondern auch vielfältige justizorganisatorische Maßnahmen und Schulungen erforderlich. Keine Lösung ist, die aktuell praktizierte Schuldenbremse an einer personellen Einsparquote festzumachen, zumal der Anteil der Kosten für die Justiz im Gesamthaushalt des Landes gerade einmal 2-3% ausmacht. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Aufgabenzuweisungen an die Justiz und die Mittelzuweisungen durch das Land in einem dauerhaft stabilen aufgabengemäß angemessenen Gleichgewicht stehen? Werden Sie für eine bessere personelle Ausstattung der Justiz und ggf. durch welche Maßnahmen sorgen? Sind Ihrer Ansicht nach insbesondere Staatsanwaltschaften und Strafgerichte ausreichend personell ausgestattet, um den neuen Herausforderungen angemessen zu begegnen? Haben Sie Konzepte, um den belastungsbedingten Erkrankungen und Ausfällen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz entgegenzuwirken? Welche Konzepte und Pläne haben Sie, um den Umbruch der Justiz von der klassischen Papierakte zum elektronischen Schriftverkehr und der elektronischen Aktenführung zu organisieren? Welche Konzepte haben Sie zur Arbeitsgestaltung, Besoldung für die vor allem im 2. Einstiegsamt betroffenen Arbeitsverhältnisse und deren Zuarbeit für die richterliche und staatsanwaltliche Tätigkeit? Welche Konzepte haben Sie, um zukünftig dem Wunsch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Teilzeitarbeit und Heimarbeitsplatz zu entsprechen? 3. Besoldung und Versorgung Die Besoldung und Versorgung von Richtern und Staatsanwälten ist nach Auffassung des rheinland-pfälzischen Richterbundes nicht mehr amtsangemessen. In den vergangenen Jahren ist die Besoldung in Rheinland-Pfalz greifbar hinter der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung zurückgeblieben, nachdem die jährliche Gehaltssteigerung auf 1 Prozent begrenzt wurde. Hinzu kamen Kostenbelastungen im Beihilferecht. Die aktuell erfolgte einmalige Anpassung der Beamten-/Richtergehälter an die im Angestelltenbereich tariflich vereinbarten Gehaltssteigerungen ändert nichts daran, dass es zu einer evidenten Abkoppelung der Besoldungsstruktur von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung, aber auch von der Besoldung auf Bundesebene gekommen ist. Das verfassungsrechtlich verankerte Alimentationsprinzip für Beamte und Richter scheint zum willkürlichen Spielball politischer Kabinettsbeschlüsse verkommen zu sein. Dass landespolitisch die ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Besoldung politisch offenbar so interpretiert werden, dass diese nur knapp über der Grenze der Verfassungswidrigkeit liegen müssen, irritiert nicht nur, sondern beinhaltet eine Fehlinterpretation der ergangenen verfassungsrichterlichen Entscheidungen. Für junge Volljuristen wird die Aufnahme einer Stelle bei der rheinland-pfälzischen Justiz zunehmend unattraktiv. Damit Rheinland-Pfalz in Zukunft weiterhin besonders qualifizierte Juristen für das Amt des Richters oder Staatsanwalts gewinnen kann, muss auch die Besoldung mit der allgemeinen Einkommensentwicklung Stand halten. Wir brauchen motivierte Richter und Staatsanwälte, die bereit sind, auch in Zeiten großer Arbeitsverdichtung einen hohen beruflichen Einsatz zu erbringen, um die Funktionsfähigkeit von Justiz und Verwaltung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu erhalten. Wir brauchen Heimarbeitsplätze für Kolleginnen und Kollegen mit familiären Belastungen; dies gilt insbesondere für familienbedingte Teilzeitarbeit. Wie ist Ihre Position zur Wiederherstellung der Amtsangemessenheit der Besoldung und Versorgung? Wie berechnen Sie, ob und aufgrund welcher Ausgangsbewertungen eine für Rheinland-Pfalz gültige amtsangemessene Besoldung gegeben/geschaffen wird? Wie stehen Sie zur Rückkehr zu einer bundeseinheitlichen Besoldung von Richtern und Staatsanwälten, um einen Wettbewerb um die geeignetsten Bewerberinnen und Bewerber zwischen den Bundesländern zu vermeiden? Wie stehen Sie zur zumindest grundsätzlichen Übernahme der Tarifergebnisse für den öffentlichen Dienst für Richter und Staatsanwälte? Oder sollen und müssen Beamte (und damit auch Richter und Staatsanwälte) - ggf. aus welchen Erwägungen - Sonderopfer zur Sanierung des rheinland-pfälzischen Haushaltes erbringen? 4. Selbstverwaltung der Justiz Anders als in den meisten anderen europäischen Staaten sind Gerichte und Staatsanwaltschaften in Deutschland in vielfältiger Weise von den Justizverwaltungen abhängig. Das betrifft insbesondere die Zuweisung von Personal und Sachmitteln. Die Staatsanwaltschaften unterliegen der Kontrolle und Weisung des Ministeriums. Gerade das Weisungsrecht des Justizministers beeinträchtigt das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Staatsanwaltschaft. Dies gilt insbesondere für Verfahren mit politischem Bezug. Der Deutsche Richterbund fordert, dass die Justiz in Deutschland dem Vorbild fast aller europäischen Staaten folgt und in den Ländern, aber auch im Bund, ihre Aufgaben in die eigenen Hände nimmt und nicht exekutiv durch das Justizministerium geleitet wird. Dazu hat der DRB bereits 2010 einen Entwurf für ein Landesgesetz zur Selbstverwaltung der Justiz erarbeitet. Wie stehen Sie zur Forderung einer Abschaffung des Weisungsrechts des Justizministeriums gegenüber der Staatsanwaltschaft? Wie stehen Sie zum Konzept der organisatorischen Selbstbestimmung der Justiz und welche Position nehmen Sie konkret zu einer selbstverwalteten Justiz ein? Der Landesverband Rheinland-Pfalz hat diese Wahlprüfsteine zur Landtagswahl 2016 den Parteien der SPD, CDU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und den Freien Wählern zugesandt. |
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